Es ist an der Zeit


Wort zum Sonntag, 21.04.2024 (3. So. n. Ostern)

von Pastor Renald Morié, Ev.-luth. Kirchengemeinde Wichmannsburg
Renald Morié (Foto: privat)

Liebe Lesende, eigentlich wollte ich für Sie hier eine feine und die Seele erbauende Andacht schreiben: über den Sonntag Jubilate und die Jugendlichen, die in diesen Tagen konfirmiert werden. Auch darüber, wie wunderbar es ist, dass junge Menschen sich zum christlichen Glauben bekennen und in die christliche Gemeinde aufgenommen werden wollen.

Eigentlich wollte ich dies tun, aber ich vermochte es nicht. - Mag sein, dass Sie nach dem Lesen meiner Worte, sagen: Hätte er das mal besser getan. - Mag sein.

Aber: Um der Konfirmierten willen, um der Kinder und Jugendlichen und um unser aller willen, die sich ein friedliches und Zusammenleben in unserer Gesellschaft wünschen, in dem Toleranz, Demokratie, Menschenwürde, Gleichberechtigung und Gerechtigkeit für alle Menschen gleichermaßen gelten, habe ich mich entschieden, Sie an diesem Wochenende Folgendes lesen zu lassen:

Anne Frank, ein jüdisches Mädchen, das sich mit ihrer Familie in Amsterdam vor den Schergen Hitler-Deutschlands versteckt, schreibt am 5. April 1944 in ihr Tagebuch:

„Ich sehe, wie die Welt allmählich in eine Wildnis verwandelt wird. Ich höre den nahenden Donner, der auch uns vernichten wird. Ich kann das Leiden von Millionen spüren.“

Ein Jahr später werden Anne Frank und ihre Schwester Margot in einem der Massengräber mit tausenden anderen Gemordeten menschenverachtend im KZ Bergen-Belsen verscharrt.

80 Jahre später veranstaltet die Partei „Alternative für Deutschland“ Niedersachsen in Unterlüß im Landkreis Celle an diesem Wochenende ihren Landesparteitag. Die AFD wählte mit Unterlüß einen Ort, der historische Bedeutung hat. Hier befand sich eines der drei Außenlager des früheren KZ Bergen-Belsen. Frauen mussten Zwangsarbeit für die Rüstungsindustrie leisten. Hunderte starben aufgrund unzureichender Ernährung und völliger Erschöpfung. Dass die AFD am Geburtstag von Adolf Hitler sich in direkter Nähe zu einem der Außenlager Bergen-Belsens organisiert versammeln wird, kann auch und besonders von Menschen, die sich der jüdisch-christlichen Tradition verpflichtet fühlen, nicht unwidersprochen bleiben.

Ein breites Bündnis unter dem Motto  „Gemeinsam gegen rechts – für eine vielfältige Gesellschaft!“ wird am 20. April vor dem Bürgerhaus Südheide in Unterlüß demonstrieren.

Darum: Christ:innen und Kirchen, die gerne das Lied „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ von Dietrich Bonhoeffer erklingen lassen, tun gut daran, auch dieses Wort Bonhoeffers  zu beherzigen: „Nur wer für die Juden schreit, darf gregorianisch singen.“

Um der Zukunft der Konfirmierten willen, um der Kinder und Jugendlichen und um unser aller willen.

Pastor Renald Morié,
Ev.-luth. Kirchengemeinde Wichmannsburg