Ein häufiger Abschiedsgruß: „Wir sehen uns vor Gericht!“ - Leider kein Witz. Die Deutschen sind notorische Prozesshansel. Sie sind bekannt für ihre Klagewut. Eine Rechtsschutzversicherung hat einmal ausgerechnet: Mehr als vier Millionen Mal im Jahr wird irgendwo in Deutschland wegen irgendetwas gegen irgendwen Klage eingereicht. Nicht umsonst sagt das Sprichwort: „Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand.“
„Wir sehen uns vor Gericht.“ - Das gibt’s leider auch im übertragenen, im geistlichen Sinn. Denn da gibt es einen teuflischen Chefankläger, der hat mich aufs Korn genommen. Und der versteht sich aufs Klagen, Anschwärzen, Beschuldigen, Vor-Gericht-Zerren. Und ich gebe ihm auch genug Angriffsfläche. Da ist nicht nur ein kleiner Fleck auf meiner ansonsten weißen Weste, die ich leicht mit etwas gutem Willen selbst sauber bekomme.
Das war damals im Augustiner-Kloster ein schmerzlicher Prozess für Martin Luther, das so zu erkennen: Ich kann aus eigener Kraft, aus eigenem Bemühen Gott nichts vorweisen, was mich entlasten könnte. Ich kann meinen Kopf nicht aus der Schlinge ziehen, egal wie sehr ich mich bemühe. Nein, ich mache dem Chefankläger leichtes Spiel. Es wäre ein kurzer Prozess mit eindeutigem Ausgang: Schuldig!
Wie gut, dass ich nicht allein dastehe! Woher kommt diese Zuversicht? - Aus dem Römerbrief. Da liest sich das 8. Kapitel wie eine Prozessakte:
Ist Gott für uns, wer kann gegen uns sein? Der auch seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben - wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken? Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? Gott ist hier, der gerecht macht. Wer will verurteilen? Christus Jesus ist hier, der gestorben ist, ja vielmehr, der auch auferweckt ist, der zur Rechten Gottes ist und uns vertritt. (Römer 8,31-34)
Ich habe mit Jesus Christus, dem Sohn Gottes einen professionellen Anwalt, der für mich in die Bresche springt. Dem Ankläger darf ich fröhlich-frech ins Gesicht lachen: Was willst du eigentlich? Gott ist für mich! Der hat mir seinen Sohn und Anwalt Jesus Christus an die Seite gestellt. Mit dem schenkt er mir alles, ja wirklich alles, was ich brauche: Vergebung, Freispruch, Freiheit, ewiges Leben!
Wir sehen uns vor Gericht – na und? Ich habe einen guten Anwalt. „Ankläger, was willst du von mir? Gott ist hier, der mich gerecht spricht. Wer will mich verurteilen? Du etwa? Christus Jesus ist hier, der für mich gestorben und auferstanden ist und mich vor Gott vertritt.“
Pech für den Ankläger, den professionellen teuflischen Prozesshansel. Ich vertraue auf Christus und rechne getrost mit Freispruch. Und eine teure Anwaltsrechnung brauche ich auch nicht zu fürchten. Die hat der Anwalt selbst übernommen.
„Vor Gericht und auf hoher See bin ich in Gottes Hand.“ Gut, das zu wissen. Denn dann wird mein Lebensboot mit Gottes Rückenwind weiter seinen Weg nehmen und einmal und durch Auferstehung und Gericht sicher im ewigen Zielhafen anlegen.
Einen gesegneten Reformationstag wünscht Ihnen
Pastor Hans-Heinrich Heine
Ev.-luth. Johannis-und-Georgs-Kirchengemeinde Uelzen