Vielleicht ist es Zeit, wieder über das Jüngste Gericht zu sprechen. Das ist ja ziemlich aus der Mode gekommen. Ein liebevoller Gott scheint mir in der gängigen Vorstellung oft auch ein Gott zu sein, der mit zu viel Sanftheit über die Untaten seiner Kinder hinwegschauen würde. Ganz im Sinne eines „Wird schon alles gut gehen, Gott liebt uns ja alle“.
So einfach scheint es mir nicht zu sein. Die Bilder des letzten Jahres, die Nachrichten der letzten Tage – die gehen mir nicht mehr aus dem Kopf. „Nie wieder ist jetzt“, haben so viele nach dem 7. Oktober 2023, dem Tag des Terrorangriffs der Hamas auf israelische Zivilist*innen gesagt. Ein Jahr später jagen wieder Menschen Jüdinnen und Juden und die, die sie dafür halten, durch europäische Straßen.
Gleichzeitig wird in den Kommentaren der hiesigen Presselandschaft das Ende der liberalen Demokratie beschworen. Mit dem Eintritt Nordkoreas in den Krieg gegen die Ukraine kommen neue Dimensionen der Eskalation hinzu. Mit dem wärmsten Jahr seit den Klimaaufzeichnungen und dem Übersteigen der viel beschworenen 1,5 °C schreitet auch der Klimawandel unaufhaltsam voran. Viele weitere derartige Nachrichten und Schreckensbilder kommen noch hinzu.
Ich glaube, dass unser Gott ein Gott der Liebe ist. Liebe ist ehrlich und schaut nicht weg. Wirkliche Liebe schaut genau hin. Enttäuschte Liebe macht wütend, zornig, verletzt. Geheilte Enttäuschung verzeiht und schaut wieder in Liebe auf das, was kommt. Davon können wir das Leben in der Welt nicht abkoppeln. Gott ist nicht irgendwo, Gott ist mittendrin. Gott leidet mit und an dem Zustand dieser Welt.
Wenn wir morgen am Volkstrauertag in den Gottesdiensten der Gewalt und der Opfer der vergangenen und der aktuellen Kriege gedenken, dann werden viele davon hören. „Denn unser keiner lebt sich selber, und keiner stirbt sich selber“, heißt es im Römerbrief. Wir können nicht losgelöst von dieser Welt leben und glauben. Das, was in der Welt passiert, hat Einfluss auf unser Leben. Unser Leben hat Einfluss auf das, was in der Welt passiert. Wir sind mittendrin und auf uns kommt es an, damit Frieden in dieser Welt möglich ist und damit Gottes Liebe zu seinen Menschen und zu seiner Schöpfung nicht ins Leere fällt.
Pastor Tobias Heyden
„Drei-Ritter“-Kirchengemeinden Altenmedingen, Bienenbüttel und Wichmannsburg