ForuM-Studie „Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Kirche“ vorgestellt

Nachricht 25. Januar 2024
Der am 25.01.2024 der Öffentlichkeit vorgelegte Abschlussbericht der ForuM-Studie umfasst rd. 870 Seiten. (Foto: Jens Schulze)

Der unabhängige Forschungsverbund ForuM hat heute die 2020 von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Auftragt gegebene Studie „Forschung zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt und anderen Missbrauchsformen in der Evangelischen Kirche und Diakonie in Deutschland“ der Öffentlichkeit vorgestellt.

Es ist die erste bundesweite Studie dieser Art, deren Ziel es war, eine empirische Grundlage für die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in den 20 evangelischen Landeskirchen, der EKD und der Diakonie zu legen. Dazu wurden neben Fallzahlen auch strukturelle Ursachen für Missbrauch und der Umgang mit Betroffenen erforscht.

Der Studie zufolge hat es in der evangelischen Kirche weit mehr von sexualisierter Gewalt betroffene Menschen gegeben als bislang bekannt. Für den Zeitraum von 1946 bis 2020 ist von mindestens 2.225 Betroffenen und 1.259 mutmaßlichen Tätern die Rede. Dabei betonten die Forschenden, dass dies nur „die Spitze der Spitze des Eisbergs“ sei. Würde man die Ergebnisse aus den bisher nur zum Teil vorliegenden Personal- und Disziplinarakten der Landeskirchen auf die gesamte EKD hochrechnen, ergebe sich eine Zahl von mehr als 9.000 Betroffenen bei geschätzt rund 3.500 Beschuldigten. - Bislang war nur bekannt, wie viele Betroffene sich in den vergangenen Jahren an die zuständigen Stellen der Landeskirchen gewandt haben. Nach Angaben der EKD waren das 858 Personen.

Fallzahlen in der Landeskirche Hannovers

In einer Pressemeldung zur Veröffentlichung der ForuM-Studie erklärt die Landeskirche Hannovers, dass sie dem Forschungsverbund die bis zum April 2023 aktenkundigen Fälle sexualisierter Gewalt gemeldet habe. Hierbei gehe es um 110 Beschuldigte (unter ihnen 62 Pfarrpersonen) und mindestens 140 betroffene Personen, die zum Tatzeitpunkt minderjährig gewesen sind. - Seitdem seien in der Landeskirche noch weitere zwölf Fälle aus dem Bereich der sexualisierten Gewalt bekannt geworden. - Insgesamt sind der Landeskirche aktuell 122 bestätigte Fälle oder Verdachtsfälle auf Sexualisierte Gewalt bekannt.

Statement von Pröpstin Wiebke Vielhauer (Ev.-luth. Kirchenkreis Uelzen)

„Ich bin entsetzt über das Ausmaß an Gewalt, das so erschreckend vielen Menschen in unserer Kirche angetan wurde. Und auch darüber, wie selten Betroffene ein offenes Ohr fanden, wenn sie nach jemandem suchten, dem sie sich anvertrauen könnten. Auch wenn im Kirchenkreis Uelzen bisher keine Fälle sexualisierter Gewalt bekannt wurden, bedeutet das nicht, dass es solche Fälle bei uns nicht geben könnte – oder vielleicht auch schon gegeben hat. Deshalb ist es so enorm wichtig, dass wir aus der ForuM-Studie lernen, wie wir unsere Kirche zu einem sicheren Ort für alle umgestalten können. Derzeit sind daher viele Kirchenvorstände in unserem Kirchenkreis damit beschäftigt, Schutzkonzepte zu entwickeln. Damit sich in Zukunft nicht wiederholt, was so vielen Menschen an Leid widerfahren ist.“


Öffentlichkeitsarbeit im Ev.-luth. Kirchenkreis Uelzen
Hanns-Martin Fischer

Anlaufstellen für Betroffene

Betroffene von sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche oder der Diakonie können sich an eine unabhängige zentrale Anlaufstelle wenden. In der „Zentralen Anlaufstelle.help“ stehen geschulte Fachkräfte für Beratungsgespräche im geschützten Rahmen zur Verfügung. 

Die Fachstelle Sexualisierte Gewalt der Landeskirche Hannovers steht allen Menschen aus der Landeskirche offen, die von sexualisierter Gewalt betroffen sind und eine Person suchen, der Sie sich anvertrauen können. Auch wer Kenntnis von Fällen sexualisierter Gewalt hat - selbst wenn diese schon länger zurückliegen, findet hier Gehör.